Bildlexikon von Uwe Lüthje
und Dr. Horst Otto Müller


Photographiebezogene Annoncen
in den "Altonaer Nachrichten"
der Jahre 1850-1880,
zusammgestellt von H. O. Müller
 
In den 6.310 heute digital zugänglichen Ausgaben der Tageszeitung "Altonaer Nachrichten" (werktags 4seitig,
an Sonntagen 6- bzw 8-seitig, Erscheinungstermin: täglich außer montags) finden sich aussagekräftige kleinteilige Spuren historischer Fotografen, die in
keinem anderen Archiv so prägnant greifbar sind. Bis auf die üblichen Mehrfachschaltungen bildet fast jedes Inserat einen lohnenden Mosaikstein, der zur Überbrückung der historischen Distanz zwischen der Gegenwart und der anvisierten Observationsperiode beiträgt. Nach einer vollständigen Lektüre dieser Anzeigen entsteht auf jeden Fall ein facettenreiches Bild jener Arbeitswelt, vielleicht sogar eine partielle "Horizontverschmelzung" [Hans-Georg Gadamer], denn die kaufmännischen Grundkonditionen (die Notwendigkeit, spröde Kunden mit temporären Sonderangeboten anzulocken, der Zwang, sich aufgrund des Konkurrenzdrucks technischen Neuerungen zu öffnen sowie Versuche, sich durch Standortwahl und Angebotsvielfalt wirtschaftliche Vorteile zu sichern) sind die gleichen wie heute.

In einem Fachbuch heißt es dazu: "Werbung mußte jeder Photograph auf eine mehr oder weniger aufwendige Art betreiben [...]. Wer allein am Platze war oder sich für sein spezialisiertes Angebot einen festen Kundenstamm herangezogen hatte, brauchte sich um sein Bekanntwerden und -bleiben keine großen Sorgen zu machen. Wer - in größeren Städten - von zahlreichen Mitbewerbern umgeben war, mußte die Aufmerksamkeit einer wankelmütigen, modisch beeinflußten Kundschaft stets von neuem auf sein Geschäft zu lenken versuchen. Wem das zu kostspielig, zu wenig seriös oder einfach zu lästig war, der hatte sich, sofern ihm nicht irgendeine Spezialität genügend Umsatz einbrachte, mit dem abzufinden, was der lebhaft umworbene Markt für ihn übrig ließ."
Hoerner, Ludwig: Das Photographische Gewerbe in Deutschland 1839-1914. Düsseldorf, 1989, S. 78.


In Altona gab es in den zwei Jahrzehnten unseres Betrachtungszeitraums sehr unterschiedlich starke Konkurrenz, wie es die zahlreichen Annoncen ausweisen. Ausgewählte Inserate werden im Folgenden - zum Teil kommentiert, in chronologischer Abfolge - vorgestellt.



1860
 
Die Adreß-Liste mit den offiziellen altonaer Berufsfotografen ist zu Beginn der 1860er Jahre noch
sehr übersichtlich:
 
Altonaer Adressbuch 1860 - aus Seite 122
Altonaisches Adressbuch für 1860
[Mit Allerhöchst Königlichem Privilegio]
Altona: Hermann's Erben, 1860, S. 122.
 
Etablierte Ateliers inserieren das ganze Jahr über gar nicht, einige machen in Abständen auf ihren Betrieb aufmerksam, wobei auffällt, daß zu Jahresbeginn
keinerlei Annoncen auftauchen (in den ersten beiden Monaten verspricht sich offenbar niemand eine Kundenbindung oder Verkaufssteigerung durch Werbemaßnahmen.)
 
Nordischer Courier und Altonaer Nachrichten, 04. 03. 1860
Nordischer Courier und Altonaer Nachrichten,
04. 03. 1860
 
 
Erstaunlich an dieser Annonce des Ateliers Hermann Rahe ist das Angebot, Unterrichtsstunden beim Fotografen nehmen zu können. Diese Offerte ist wohl nicht ganz aus freien Stücken enstanden, wie der weitere Verlauf des Jahres zeigen wird. Schon im Folgemonat zieht der Fotograf P. C. Lassen nach:
 
Annonce Lassen Altonaer Nachrichten 15.4.1860
Nordischer Courier und Altonaer Nachrichten,
15. 04. 1860
 
 
Rechtzeitig zu Beginn der hellen Tage eröffnet Franz Kööp zum zweiten Mal in Altona einen Betrieb (er war bereits in den späten 1850er Jahren als Daguerreotypist dort tätig gewesen, hatte sich zwischenzeitlich aber nach Hamburg orientiert, um in einem Atelier in St. Pauli zu arbeiten). Der Adreßzusatz "Im Garten" findet sich in jener Zeit häufig und ist der Tatsache geschuldet, daß die geringe Lichtstärke der damals verfügbaren Objektive ein Arbeiten bei Sonnenlicht sehr angeraten sein ließ.
 
Annonce Koeoep Altonaer Nachrichten 06.05.1860
Nordischer Courier und Altonaer Nachrichten,
06. 05. 1860
 
 
In der zweiten Junihälfte erscheint ein verlockendes Inserat eines ausländischen Fotografen. Er bietet eine Kompaktausbildung in der Naß-Fotografiertechnik an, von der die Altonaer Fotografen wahrscheinlich gehört hatten und die gut der Anlaß für ihre eigenen Unterrichtsofferten gewesen sein könnten:
Annonce Lassen Altonaer Nachrichten 23.6.1860
Nordischer Courier und Altonaer Nachrichten,
23. 06. 1860
 
Ein leicht modifiziertes Kursangebot erscheint einige Wochen später:
 
Annonce Lassen Altonaer Nachrichten 26.06.1860
Nordischer Courier und Altonaer Nachrichten,
26. 08. 1860
 
Der Anbieter benennt jetzt den Kursusort: das nicht im offiziellen Altonaer Adreßbuch verzeichnete "Amerikanische Photographische Atelier" in der Langestraße (vielleicht handelt es sich dabei um ein ambulantes Atelier).
 
Im Juli 1860 eröffnet der sehr agile, reisefreudige (Druck-)Graphiker und Fotograf Rudolph von Duhn ein Atelier in Altona und weist mit einer Annonce auf das Ereignis hin:
.
Annonce von Duhn - Altonaer Nachrichten 08.07.1860, Beilage
Nordischer Courier und Altonaer Nachrichten,
08. 07. 1860

Kritische Insider mögen sich gefragt haben, wie R. von Duhn das arbeitsmäßig bewerkstelligen kann, denn er war in jenen Jahren ständig unterwegs, um z.B. in Wyk auf Föhr oder in Elmshorn Veduten und detaillierte Mehrfachansichten in druckgraphischer Form zu schaffen. Sicherlich war ihm die Fotografie dabei eine gute Hilfe, wenn es darum ging, die zahlreichen, die Bildmitte umgebenden Randansichten zu gestalten (als spätere Motivvorlagen), wie in diesem Beispiel.
 
Duhn - Elmshorn Lithographie, um 1860
Rudolph von Duhn: Ansicht von Elmshorn/Umgebung.
Mittelansicht 'Elmshorn von Maas Kalkbrennerei aus'. Mit 28 Randansichten. Lithographie, um 1860. 30 x 37,5 cm.
 
 
Mitten im "Sommerloch" bemüht sich der Photograph Franz Kööp um Kundeninteresse durch die Präsentation eines Alleinstellungsmerkmals. Um auch Leserinnen/Leser, die sich ausschließlich an Überschriften orientieren, zu gewinnen, verzichtet er auf einen branchenbezogenen Hinweis:
 
Annonce Koeoep Altonaer Nachrichten 15.07.1860
Nordischer Courier und Altonaer Nachrichten,
15. 07. 1860
 
Den Wunsch, Artikel mit "Alleinstellungsmerkmal" anbieten zu können, haben auch Andere. So inseriert das "Amerikanische Atelier" mit Lichtbildern verziertes Geschirr:

Altonaer Nachrichen 23. 8. 1860 - Fotos auf Tassen
Nordischer Courier und Altonaer Nachrichten,
23. 08. 1860
 
In derselben Zeitungsausgabe bietet ein neuer Berufsfotograf in Altona seine Dienste an:
 
Altonaer Nachrichen, 23. 08. 1860 Fiche
 
Die vergleichsweise ruhigen Zeiten, in denen die Kunden mit einer gut hergestellten Fotografie im Carte-de-Visite-Format völlig zufriedengestellt werden konnten, sind 1860 bereits partiell Vergangenheit; jetzt wünscht sich ein Teil des Klientels Variantenreichtum und nicht selten auch größere, repräsentativere Lichtbilder, auch wenn die Carte-de-Visite noch eine Zeitlang das "Brot-und-Butter-Geschäft" bleibt, da hilft nur technische Aufrüstung.

Altonaer Nachrichten vom 3. 10. 1860
Nordischer Courier und Altonaer Nachrichten,
03. 10. 1860

Ökonomisch sinnvoll erscheint der Versuch, das ausgemusterte Vorgängermodell zeitnah zu veräußern, was mit einem Zusatzangebot erleichtert werden soll:
 
Altonaer Nachrichten vom 11. 10. 1860
Nordischer Courier und Altonaer Nachrichten,
11. 10. 1860

Der Photograph W. Stüven zieht nach, verbindet in seiner Annonce den notwendigen Hinweis auf das umgezogene Atelier mit einem Seitenblick auf sein erweitertes Leistungsangebot: "Durch Maschinen der neuesten Construction bin ich im Stande, Bilder jeder Art von Medaillenform bis zu den größesten anzufertigen und garantiere für deren Ähnlichkeit".


Altonaer Nachrichten vom 18. 10. 1860
ordischer Courier und Altonaer Nachrichten,
18. 10. 1860
 
Geschickt bringt sich W. Stüven rechtzeitig zur Adventszeit erneut in Erinnerung und betont dabei den Wunsch, Kunden stets bestmöglichste Qualität zu bieten, ein Anspruch, den auch die Konkurrenz formuliert:
Altonaer Nachrichten vom 27. 11. 1860
Nordischer Courier und Altonaer Nachrichten,
27. 11. 1860
 
 
 

1861
 
Die photographiebezogene "Annonce-Saison" beginnt im März, und zwar nicht mit einem werbenden Text für ein Altonaer Atelier, sondern als Einladung, Kameras und Spezialzubehör bei einem hamburger Optiker zu erwerben.
 
Altonaer Nachrichten vom 5. 3. 1861
Nordischer Courier und Altonaer Nachrichten,
15. 03. 1861
 
 
Wie bereits vermutet, hatte der Künstler und Fotograf Rudolph von Duhn Reisepläne, die sich mit einem stationären Atelier in Altona nicht vereinbaren ließen:


Altonaer Nachrichten vom 24. 3. 1861
Nordischer Courier und Altonaer Nachrichten,
24. 03. 1861
 
 
Nicht nur ansässige Fotografen boten damals Lernkurse an, es gab auch erste "Photographielehrer", die sich erbötig machten, Anfängern die richtigen Schritte beim Erlernen der komplizierten Kollodium-Naßplatten-Technik zu erläutern, um sonst sicher zu erwartende Frusterlebnisse zu minimieren:
 
 
Altonaer Nachrichten vom 15. 06. 1861
Nordischer Courier und Altonaer Nachrichten,
15. 06. 1861
 
 
Im selben Monat inseriert zum ersten Mal der Photograph Gustav Weber, der erste von drei Altonaer "Neulingen" des Jahres 1861. Er wird über mehrere Jahrzehnte hinweg zum Rückgrat und solidem Bestand der lokalen Lichtbildnerei werden:
 
Altonaer Nachrichten vom 26. 06. 1861
Nordischer Courier und Altonaer Nachrichten,
26. 06. 1861
 
 
Interessant erscheint die Tatsache, daß sich auf hamburger Seite Photographen die durch den Wegfall der langjährigen Torsperre zur Jahreswende 1860/61 möglich gewordenen engeren Verbindungen zu Altona zunutze machen. Als Julius Noack in St. Pauli im Sommer ein Photo-Atelier eröffnet, inseriert er bewußt in den 'Altonaer Nachrichten', wirbt mit der Nähe zu Hamburg, wenn er den Weg zu seinem Atelier beschreibt: "... von Altona kommend links das 2. Haus".
Altonaer Nachrichten vom 30. 06. 1861
Nordischer Courier und Altonaer Nachrichten,
30. 06. 1861
 
 
Während die alteingessenen Fotoateliers weiterhin ohne Annoncen auskommen, versuchen Nachfolger, durch entsprechende Werbemaßnahmen Öffentlichkeitsanteile zu gewinnen, so im Sommer 1861 der Fotograf D. Jacoby nach der Eröffnung:
Altonaer Nachrichten vom 4. 8. 1861
Nordischer Courier und Altonaer Nachrichten,
04. 08. 1861
 
 
Die ortsansässige Buchhandlung A. Lehmkuhl offeriert in einer Einzelanzeige ein Fachbuch zum Thema, was dafür spricht, daß es in Altona bereits damals eine gewisse Anzahl an interessierten Foto-Amateuren gegeben hat:

Altonaer Nachrichten vom 10. 08. 1861
Nordischer Courier und Altonaer Nachrichten,
10. 08. 1861
 

Der dritte Atelier-Neuzugang für Altona im Jahr 1861 inseriert gegen Ende August:
 
Altonaer Nachrichten vom 20. 08. 1861
Nordischer Courier und Altonaer Nachrichten,
20. 08. 1861
 
 
Mitte November schaltet der Fotograf Fritz Kööp die erste Annonce in diesem Jahr, Gustav Weber verweist Anfang Dezember auf eine angenehme Aufnahme-Atmosphäre in seinem geheizten Atelier:
 
Altonaer Nachrichten vom 11. 12. 1861
Nordischer Courier und Altonaer Nachrichten,
11. 12. 1861
 
 

1862
 
 
 
1862
 
 
 
1863
 
 
 
1864
 
 
 
1865
 
 
 
1866
 
 
 
1867
 
 
 
1868
 
 
 
1869
 
 
 
1870
 
 
 
1871
 
 
 
1872
 
 
 
1873
 
 
 
1874
 
 
 
1875
 
 
 
1876
 
 
 
1877
 
 
 
1878
 
 
 
1879
 
 
 
1880
 
 
 
 
 
 
 
 
 

     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
Biographisches:   'Seemanns Atelier' war kein spezielles Atelier für Seeleute, sondern Baden hat vermutlich das Atelier von einem Photographen namens Seemann übernommen. Parallel zu dem Photo Atelier unterhielt er ab 1885 eine Manufactur für Bromsilber Trockenplatten. Theodors Witwe führte bis 1899 die Manufactur für Bromsilber Trockenplatten weiter.
Vorgänger:   Wohl der Photograph Seemann.
Nachfolger:   -
     
Lithographische Anstalt:   J. F. Schippang, Berlin (Bildbeispiel 2).


     
     
 
     
     

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