Bildlexikon von Uwe Lüthje
und Dr. Horst Otto Müller



Das Atelier-Glashaus

Das Mitte des 19. Jahrhunderts in Mode gekommene Glashaus für Fotoateliers war ein meist weitläufiges Tageslichtstudio mit großen Fensterfronten, welche reichlich Licht einlassen und so Aufnahmen bei fast jedem Wetter möglich werden lassen. Das typische Glashaus wies stets eine ziemliche Höhe auf, damit die für die Konstruktion notwendige Eisengitterbauweise (sehr großflächige Einzelglasscheiben waren noch nicht verfügbar) sich nicht als Schattengitter auf den späteren Fotografien abzeichnete.
 
400150 - Glashaus - Buehler - Litho: Glashaus von aussen

 

Lithographie: Hausfassade mit einem eingepaßten
Glashaus für ein Fotoatelier). In: Atlas zu Otto Buehler's
'Atelier und Apparat des Photographen'. Praktische
Anleitung zur Kenntniss der Konstruktion und
Einrichtung der Glashäuser, der photographischen
Einrichtungen und des Laboratoriums.
:Neuer Schauplatz der Künste und Handwerke, Bd. 287.
Weimar 1869, Tafel III 3, Fig. 2.
Handwerkliche Kenntnisse zum Bau solcher Glas-Gußeisen-Konstruktionen waren vorhanden, denn sowohl großangelegte Gebäude (wie z. B. der Londoner 'Crystal Palace' für die dortige Weltausstellung 1851) wie auch Gewächshäuser wurden damals bereits nach demselben Prinzip errichtet.
 
400150 - Glashaus - Annonce Hamburger Nachrichten 1851
Annonce in: Hamburger Nachrichten,
Ausgabe vom 26. 03. 1851.
Zuziehbare Vorhänge bzw. verschiebbare Verdunkelungen erlaubten eine gezielte Lichtführung/-gestaltung je nach Wetterlage.
400150 - Glashaus - Buch der Erfindungen - S. 492 - Detail
Aus: Das neue Buch der Erfindungen, Gewerbe und Industrie.
Rundschau auf allen Gebieten der gewerblichen Arbeit,
Band IV: Die chemische Behandlung der Rohstoffe.
Leipzig und Berlin: Otto Spamer, 1866, S. 492.
Bei der Verglasung des Ateliers gilt es, Einiges zu beachten: das möglichst weiße Glas muß eine gewisse Dicke aufweisen, damit keine Hagelschäden auftreten können; die Scheiben dürfen nicht zu klein sein, weil sich sonst das Sparrenwerk auf den Fotografien abzeichnet.
Idealerweise sollte die größte verglaste Fläche nach Norden zeigen,
was bedeutet, dass kein direktes Sonnenlicht in den Raum kommt, außer im Hochsommer, und somit stabile Lichtverhältnisse schafft
(direkter Lichteinfall, der durch den Raum wandert, kann das fotografische Ergebnis sehr beeinträchtigen). Darauf weist auch ein früher Ratgeber hin:
400150 - Glas - Buch der Erfindungen - S. 497 - Detail
Aus: Das neue Buch der Erfindungen, Gewerbe und Industrie.
Band IV: Leipzig und Berlin: Otto Spamer, S. 497.
Übernahm eine Fotografin/ein Fotograf ein bereits bestehendes Atelier mit Glashaus, waren die vorgefundenen baulichen Vorgaben oft als gegeben zu akzeptieren. Nicht wenige Lichtbildner bemühten sich aber, wenn der wirtschaftliche Erfolg dies zuließ, einen Neubau nach ihren Wünschen zu errichten. Hierzu riet eine zeitgenössische Fachpublikation, nicht nur auf die quantitative Intensität des Sonnenlichtes zu achten, sondern ebenso auch auf die Qualität, denn ein (zu) stark einfallendes Licht führt zu ungewünschten Schlagschatten.
 
400150 - Glashaus - Eder - Atelier-Laboratorium - S. 9 Detail
Eder, Dr. Josef Maria: Das Atelier und Laboratorium
des Photographen. Halle a. S.: Druck und Verlag von
Wilhelm Knapp, 1893, S. 9.
Bei der kardinalen Bedeutung für das (berufliche) Ergebnis ist es nicht verwunderlich, daß bereits frühe fotografische Ratgeber detaillierte Vorschläge und Optionen für die Einrichtung eines Glashauses aufgezeigt haben:
 
4100150 - Glashaus - Krüger 1858 - Titeldetail
Julius Krüger: Vademecum ..., S. 30-33.
Eine ganze Reihe von Vorschlägen für die erfolgreiche Beseitigung von Lichtproblemen, etwa, was die störenden Lichtreflexe in den Glashäusern angeht, boten Hinweise und kleine einschlägige Fachartikel in den Jahrgangsbänden der "Photographischen Mittheilungen".
 
400150 - Wilster CDV Rückseite mit Glashaus - klein
Revers einer Carte de Visite des Fotografen
Carl Kuskop, Wilster, mit der Abbildung seines
Glashauses im Obergeschoß seines Fotoateliers
Der Fotograf E. P. Kanberg suggerierte mit seiner Revers-Abbildung, er verfüge über ein riesiges Glashaus, wobei zu bezweifeln ist, ob es tatsächlich über solch gigantische Dimensionen verfügte.
 
400150 - Glashaus - CDV Kanberg - Revers - Unigröße
Revers einer Carte de Visite des Fotografen
E. P. Kanberg, Schleswig.
(Es ist keine Vergrößerung verfügbar).
400150 - Glashaus - Bredstedt - Blechenberg-Atelier - klein
Außenansicht des Bredstedter Fotoateliers
H. Blechenberg, mit einem Glashaus im 1. Stock.
(Quelle: Archiv U. Lüthje)
400150 - Glashaus - Greifswald - Atelier Kwiatek - klein
Außenansicht des ehemaligen Greifswalder Fotoateliers
J. Kwiatek in der Langen Straße (nicht mehr existent).
Foto: Uwe Lüthje, ca. 1992.
Bei mehrstöckigen Häusern ließ die Notwendigkeit, Kunden für fotografische Aufnahmen mehrere Treppen aufs Dach steigen zu lassen, die Errichtung eines ebenerdigen Glashauses außerhalb des Hauses oft als geeignetere Lösung erscheinen (daher die ziemlich häufig anzutreffende Reversangabe auf CDVs: "... Atelier im Garten".