Als vor 25 Jahren DAGUERRE in Paris seine grosse Entdeckung machte,
waren Neugierde und Erstaunen die Gefühle, welche uns überkamen; aber
wir ahnten damals noch nicht, welchen grossen Nutzen diese Entdeckung
für die Welt haben würde.
Heut zu Tage giebt es vom Nord- bis
zum Südpol und von Ost zu West fast keinen Winkel der Erde mehr, wohin
nicht die Photographie mit ihrem neuen Lichte gedrungen wäre; und nur
wenig bedeutende Städte mögen sich finden, wo dieselbe nicht ihren
Wohnsitz aufgeschlagen hat, praktisch geübt wird und eine reiche
Erwerbsquelle geworden ist; und wenn auch die Neugierde verschwand, so
ist doch das Erstaunen über Das, was sie wirkt und leistet, geblieben
und in stetem Zunehmen begriffen.
Durch die herrliche
Wissenschaft und ihre Träger ist uns der Einblick in Gegenstände, von
denen wir früher keine Ahnung hatten, gestattet worden.
Die
Spuren längst von der Erdoberfläche verschwundener Generationen werden
DURCH SIE in ihrer ganzen Grösse und Herrlichkeit, und in den kleinsten
und getreusten Details, unserem Auge vorgeführt; und für eine Ausgabe
von einigen Groschen sind wir im Stande, uns, besonders mit Hülfe des
Stereoskops, den getreuen Anblick aller [S. 1/2] Kunstschätze und
Naturschönheiten der Erde in unserem stillen Zimmer zu verschaffen.
Aber diese grosse Gabe erstreckt sich nicht allein auf irdische
Gegenstände; nein, ihre Kraft geht weit über die Grenzen unserer
Erdkugel hinaus; denn mittelst Anwendung des Teleskops sind in neuester
Zeit die Bilder des Mondes und der Planeten mit der grössten Schärfe auf
die Platte gezeichnet worden.
DURCH SIE wird dem
Alterthumsforscher, dem Architekten, dem Mechaniker und dem Geometer
seine Arbeit leicht gemacht und die so mühseligen und zeitraubenden
Zeichnungen von complicirten Maschinerien, von mit Ornamenten und
Schnörkeleien überladenen Kirchen und Palästen der Vorzeit, zu denen oft
jeder Zugang fehlt, werden jetzt nur dem Lichte überlassen. Mit dem
Zirkel und dem Griffel in der Hand hat der Künstler dann nur nöthig, die
auf das Genaueste wiedergegebenen Verhältnisse zu messen und zu
verzeichnen.
Für den Maler und Zeichner ist sie von
unschätzbarem Werthe, da sie, stets das getreueste Conterfei des
Originals gebend, ihnen hülfreiche Hand leistet, ihre Skizzen zu
entwerfen und ihre Modelle auf das Papier zu fesseln.
DURCH IHRE
Hülfe wird die sonst dem Auge nicht sichtbare mikroskopische Welt
ebenfalls dem Papiere eingeprägt, und ihre Wunder werden für Jeden
zugänglich gemacht, der nicht mit den Mitteln versehen ist, sich die
zweckdienlichen, theuern Instrumente verschaffen zu können; - DURCH IHRE
Hülfe wird uns die Zauberwelt der Tropen erschlossen; der Urwald mit
seinen gigantischen Gewächsen und malerischen Verschlingungen, dem
plumpen Elephanten, dem zum Sprunge ansetzenden Königstiger und dem
scheusslichen Krokodile; - der feuerspeiende Berg und der von Absatz zu
Absatz tosende Katarakt; das [S. 2/3] wildbrausende Meer mit seinen
Brandungen, seinen vom Sturme gejagten Schiffen und seinen Wundern der
Tiefe!
DURCH IHRE ihre Hülfe wird es uns leicht gemacht, alte
Handschriften , Urkunden, Federzeichnungen und Karten mit der grössten
Schärfe und Genauigkeit, so dass kein Auge im Stande ist, die Copie von
dem Originale zu unterscheiden, wiederzugeben und zu vervielfältigen,
und sie dadurch zu Jedermanns Einsicht zu bringen; und DURCH IHRE ihre
Hülfe wird die Nachwelt ein getreues Abbild unserer Zeiten und Tage
bekommen! Der Historiker wird, während er die Geschichte vergangener
Tage von Geschlechtern und Individuen, die lange vermodert sind,
niederschreibt, im Stande sein, ihnen gewissermassen in's Antlitz zu
schauen, indem er ihre getreuen Züge, ihre Trachten, ihre Geräthschaften
dabei benutzen kann!
Und Alles Das sind Vortheile und Freuden,
welche wir dieser herrlichen Wissenschaft zu verdanken haben; - allein
wenn wir seit der kurzen Zeit, welche seit ihrer Entdeckung vergangen
ist, schon so viel gethan haben, so bleibt doch gewiss noch viel mehr zu
thun übrig; denn die Wirkungen des Lichtes, der Wärme und der
Elektricität sind noch lange nicht so hinreichend erforscht und bekannt,
dass wir nicht die Hoffnung hegen dürften, neue Entdeckungen zu machen,
von welchen wohl heute Niemand eine Ahnung hat.
Schreiten wir
deshalb rüstig und unverdrossen fort auf der vorgezeichneten Bahn, nicht
ausser Acht lassend die geringfügigsten Vorkommnisse und Abweichungen,
welche bei Ausübung des Processes sich uns darbieten; denn nur zu oft
werden gerade diese Quellen grosser, neuer Wahrheiten! |